Buß&Bettagsvortrag
im Jahr der Bibel 2003
„Paulus - der erfolgreiche Kirchenmanager“
zum Kampf der Kulturen in einer Welt mit Terrorismus und Pluralismus
Viele halten den Apostel Paulus hauptsächlich für einen tiefsinnigen Theologen, der
durch den auferstandenen Jesus selbst vom Christenverfolger Saulus zum frommen
Missionar Paulus wurde. Er war aber vor allem der erste erfolgreiche Kirchenmanager
der Christenheit, und zwar in einer Welt, in der die verschiedensten Sekten und
Religionen in direktem Konkurrenzkampf miteinander standen. Wenn man bedenkt, dass es auch
damals terroristische Anschläge im Namen Gottes gab, sind die Parallelen zu
unserer Gegenwart, in der nach Meinung von Samuel Huntington und anderen ein
Kampf der Kulturen stattfindet unübersehbar. Wie gelang es Paulus in diesem
Kampf zu bestehen und seine Gemeinden zur Keimzelle der christlichen Weltreligion
zu machen?
Seit nunmehr acht Jahren besteht der Buß- und Bettag nicht mehr als gesetzicher Fereitag. Genug Zeit, um neue Mittel
und Wege zu finden, sich als christliche Gemeinschaft zu versammeln. Wie schon in vorangegangenen Jahren trafen sich
Mitglieder der beiden Gemeinden zu einem Vortrag als Maßnahme der Erwachsenenbildung im Undenheimer
Gemeindehaus.
Als Vortragsthema hatte sich Pfarrer Holzbrecher die politischen Hintergründe des frühen Christentums vorgenommen.
Insbesonderer brach er eine Lanze für Paulus, der sich selbst nie dezidiert vom Judentum entfernt habe. Vielmehr habe
er versucht, in der verworrenen Situation bei oftmals krisengeschüttelten Machtgrundlagen der frühen römischen
Kaiserzeit Toleranz walten zu lassen und sich mit anderen Religionen im zivilen Bereich zu arrangieren. Herausragend
erscheint dabei das Plädoyer für Eheschließungen zwischen Christen und Nichtchristen (1.Korinther 7, 10-16).
Die besondere Brisanz und Aktualität dieser Haltung wird im Hinblick auf derzeitige Fundamentalismen sichtbar:
Samstags vor und am Donnerstag nach dem Vortrag hatten uns die Anschläge in Istanbul noch an die Gefahren
einer Ausbreitung ode reiner Pauschalisierung des Terrors erinnert. An dieser Stelle appellierte Pfarrer Holzbrecher
an die Haltung des Paulus, selbst auf Extremismus zu verzichten und vielmehr Gemeinsamkeiten unter Gemäßigten
aller Religionen zu suchen und auszubauen. Folgt man der These, nach der es keinen weltweiten Konflikt der Religionen,
sondern nur einen weltweiten Krieg der Fundamentalismen gibt, so muß in diesem Bestreben auf allen Ebenen, von der
staatlichen bis zur individuellen, ein Ziel anerkannt werden, mit dem die aktuelle Krise überwunden werden kann, die durch
die Radikalisierung und den fundamentalistischen Terror verstärkt worden ist. Kein Patentrezept und keine Garantie für
das Erreichen einer stabilen Friedensordnung, aber ein verantwortliches und für Christen angemessenes Verhalten.
von Tobias Schmuck