„Meine Patentante ist Jüdin …
… denn in der kleinen rheinhessischen evangelischen Kirchengemeinde, in der ich getauft wurde, wurde erlaubt, was in der Evangelischen Kirche im großen Frankfurt verboten ist.“ Vielleicht wird unser Täufling einmal so von der Taufe „damals“ in Undenheim erzählen, und es ist wirklich wahr: Der evangelische Kirchenvorstand Undenheim unterstützte mich dabei, Juden unter bestimmten Voraussetzungen zum Patenamt in unseren Kirchen zuzulassen und ebenso der evangelische Kirchenvorstand Friesenheim. Die Bedingungen wurden dabei wie folgt festgelegt: Anerkennung von Jesus als jüdischem Propheten nach dem Vorbild vieler jüdischer Gelehrter und Rabbinen, (Ruth Lapide, Schalom Ben Chorin), ein weiterer Pate soll evangelisch sein, und eine Bestätigung als mündiges Mitglied einer jüdischen Synagogalgemeinde etwa entsprechend unserem Patenschein. Als erste nahm Frau Edna Eppelbaum dieses neue Recht bei der Taufe Ihres Patenkindes in Undenheim in Anspruch und freute sich offensichtlich, als die Taufkerzen entzündet wurden.
Zeitlich passend zur Einweihung der neuen Mainzer Synagoge, zu deren Einzugsgebiet auch Undenheim und Friesenheim gehören, machen wir einen Schritt auf die jüdische Minderheit bei uns zu. Wichtig ist mir an dieser Stelle daran zu erinnern, dass es bedingt durch die Schrecknisse der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten, Deutsche jüdischer Religion zu rheinhessischen evangelischen Kirchengemeinden gehört haben. Wie mir eine Undenheimer Jüdin in meinen ersten Jahren als Pfarrer von Undenheim und Friesenheim erzählte, wäre sie natürlich immer Jüdin geblieben, aber seitdem zugleich auch Mitglied der evangeli-schen Kirchengemeinde. Aufrechte Christen hatten jüdische Kinder vor den Konzentrationslagern gerettet, indem sie sie zum Schein tauften und adoptierten.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass nicht nur Jesus selbst, sondern so gut wie alle neutestamentlichen Autoren zugleich Juden als auch Christen waren, ist mir ohnehin die Haltung der Evangelischen Kirche Frankfurt nicht verständlich. Ich möchte gerne unseren jüdischen Brüdern und Schwestern gegenüber eine ähnlich enge Gemeinschaft praktizieren, wie sie im Urchristentum bestand, das ja Teil der Synagoge und des antiken Judentums war.
Und haben wir gerade hier im ländlichen Rheinhessen nicht allen Grund auf die jüdische Minderheit zuzugehen? Nicht nur im Blick auf die 1938 zerstörten, uns damals benachbarten Synagogen in Hahnheim und Dolgesheim oder den Anschlag auf die Wormser Synagoge vor einigen Wochen, sondern vor allem im Blick darauf, dass es bis vor kurzem ganz so aussah, als würde die deutsche jüdische Minderheit bei uns ganz erlöschen? Es ist auch unsere rheinhessische Traditionsgeschichte, die da um ein Haar für immer an die Museen verloren wäre, denn wir haben auch hier auf dem Land eine gemeinsame Geschichte mit der jüdischen Minderheit, sagte mir ein evangelischer Zeitzeuge aus Dolgesheim. Um so mehr ist es doch ein Grund zur Freude und zur Gratulation, dass die jüdische Gemeinde wieder wächst und dass vielleicht jüdisches Leben auch zu uns ein wenig zurückkehrt. Ich jedenfalls möchte unbedingt dazu beitragen, dass es zu einer versöhnten Gemeinschaft unter Juden und Christen kommt, denn von der hat ja schon der Jude Paulus im
Römerbrief (9-11) geträumt …
„Schalom!“ und „Herzlichen Glückwunsch“
an alle jüdischen Brüder und Schwestern in Rheinhessen
Ihr
Pfarrer Dr. Frank Holzbrecher